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Arthur Geiss verlässt Pforzheim

Die erfolgreiche Laufbahn des DKW-Rennfahrers

Morgen verlässt Arthur Geiss, der weit über die Grenzen Deutschlands bekannte und geschätzte DKW-Rennfahrer, Pforzheim für immer. Schon seit Jahren stand Geiss ständig im Dienste der Zschopauer Werke, kehrte aber von Zeit zu Zeit immer wieder in sein hiesiges Heim und zu Frau und Kindern zurück. Jetzt steht vor dem Hause im Stadtteil Weißenstein der Möbelwagen. Die Familie Geiss wird nach Chemnitz-Adelsberg übersiedeln und sagt Pforzheim für immer Lebewohl.

Arthur Geiss wurde in Hockenheim geboren und kam zu seinem Bruder, der damals in der Tunnelstraße in Pforzheim eine Reparaturwerkstätte unterhielt, als Kraftwagenmechaniker in die Lehre. Als sich der junge Mechaniker eine 500er Zweizylinder NSU erworben hatte, nahm er 1923 zum erstenmal an einem Rennen, und zwar am Huchenfelder Bergrennen, teil. Er belegte den fünften Platz und fuhr seine Maschine noch zwei Jahre bis ihm dann die Fabrik eine "richtige" Rennmaschine zur Verfügung stellte. Es war immer der Ehrgeiz des jungen Kraftradrennfahrers, die "schnellste Zeit des Tages" zu erreichen. Im Jahre 1925 versuchte er es mit der leichten 175er DKW, die gerade zu jener Zeit das "Licht der Welt erblickte". Bei einer Zuverlässigkeitsfahrt durch Deutschland blieb Geiss als einziger Fabrikfahrer von DKW ohne Strafpunkte und legte hier den Grundstein zu seinem erfolgreichen Aufstieg.
Zwischendurch fuhr er "Wimmer" und "AJS", belegte beim Solituderennen den zweiten Platz, kehrte aber schließlich wieder zu DKW zurück.

Die erfolgreichsten Jahre des "kleinen Pforzheimers" − der große Rennfahrer ist von kleiner Gestalt, eine gute Vorbedingung für seinen Beruf! − waren 1927/28. Im "Großen Preis von Deutschland", im "Preis der Nationen" in Monza, bei der holländischen "TT" wurde er in diesen Jahren auf seiner kleinen Maschine Sieger. Später errang er mehrmals den deutschen Meistertitel, gewann den "Großen Preis von Ungarn" und stellte im letzten und vor zwei Jahren bei Tat und Ghon in Ungarn neue Weltbestleistungen auf.

Aufschlussreiche Erklärungen gab der Rennfahrer unserem Berichterstatter über die Eindrücke vor und während eines Rennens ab. Da er sich infolge seines geringen Gewichts von 120 Pfund für leichte Maschinen besonders gut eignet, fährt er nur noch die kleine DKW. Vor jedem Rennen wird ausgiebig geschlafen. Ein "solider Lebenswandel " ist wie bei jeder anderen Sportart Grundbedingung. Morgens wird nichts gegessen. Man fährt mit leerem Magen und trinkt höchstens eine Tasse Tee. Es gibt auch Fahrer, die sogenanntes "Kurvenwasser" − d.h. etwas Alkohol − zu sich nehmen, doch ein guter Rennfahrer unterlässt dies, um nicht zu waghalsig zu werden. Da eine Rennmaschine keine Sattelfederung hat, benützt jeder Rennfahrer einen Hüftgürtel, der ihn gegen die starken Erschütterungen schützt. Das Lederzeug ist an Knien, Ellenbogen, Schultern usw. verstärkt, damit man sich bei einem Sturze nicht die Haut abzieht. Außerdem ist der Sturzhelm Vorschrift. Arthur Geiss gesteht freimütig:" Startfieber habe ich vor jedem Rennen, obwohl ich schon länger als zehn Jahre Rennen fahre. Es gibt keinen Rennfahrer, der es nicht hat, selbst wenn er es gut zu verbergen versteht. Wer es nicht hat, taugt nicht für Rennen. Erst wenn der Motor die erste Zündung gemacht hat, ist das Startfieber vorbei." Während es Rennens gibt es nur den Gedanken:"Sieg!" In jeder Runde wird man schneller, man wächst mit dem Rennen. Hat man eine Kurve das erstemal − schon viel schneller als im Training − mit 90 Stundenkilometern genommen, dann versucht man es in der nächsten Runde mit 95 und in der dritten mit 100. Das macht man so lange bis die Maschine einmal einen "Rutscher" tut und dieser kleine "Dämpfer" das allzuforsche Drauflosrasen etwas abschwauml;cht. Man kann an nichts anderes als an das Rennen denken. Nach drei Runden weiss man nicht mehr, ob man zwei oder vier Runden gefahren ist. Es hängt viel von der Leitung des "Rennstalls" ab. Durch Zeichen wird man über den Stand des Rennens und über die vor oder hinter einem liegenden Gegner unterrichtet. Ist man zurückgefallen, so macht man sich mit tollem Mut an die Verfolgung der Spitzenreiter. Hat man einen "geschnappt", so wird man noch mehr zum Überholen der anderen angereizt. Man darf sich aber nicht zu Unbesonnenheiten verführen lassen. Selbstverständlich macht jeder gern einen "Ersten" und in der letzten Runde auf der Zielgeraden legt man los, was die Maschine hergibt.

Die Engländer, die sich beim Überholen usw. als ganz einwandfreie Sportsleute zeigen, und die Italiener sind nach wie vor die schärfsten Gegner der Deutschen. Nach "Großen Preis" −Rennen wird dem Tank des Siegers immer eine Brennstoffprobe entnommen und untersucht, ob auch das vom Veranstalter gestellte, nach internationaler Bestimmung zusammengesetzte Benzin gefahren wurde, und ob sich keiner durch "Schiebung" in Vorteil gebracht hat. Auch Motor− und Fahrgestellnummer werden nachgeprüft, denn man könnte ja die Maschine vertauscht haben.
Ein wichtiger Punkt des Rennfahrers ist das Fallen. "Das lernt man schon von selbst", meint Arthur Geiss. "Darin bekommt man mit der Zeit Übung. Mir ist außer einigen Rippenbrüchen letztes Jahr noch nie etwas zugestoßen."

Wir wollen wünschen und hoffen, dass dem schneidigen Rennfahrer, der Pforzheim nur ungern verlässt, auch an seinem neuen Wohnort Glück und Erfolge treu bleiben.

st

Quelle: unbekannt, 23/4/1935



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