160.000 kamen zum Solitude−Rennen
Ley auf DMW fährt die beste Zeit des Tages − NSU viermal, DKW dreimal Klassensieger −
Die Favoriten hatten viel Pech − Neue Klassenrekorde
Das klassische Solitude−Rennen erlebte seine Wiederauferstehung als internationales
Rennen großen Stils. Nach langjähriger Pause zeigte sich schon im Vorjahre bei der
Durchführung als nationale Veranstaltung, dass dieses Rennen nach wie vor die größte
Anziehungskraft auf die Süddeutschen ausübt. Die Solitude, das ist i h r Rennen, und
sie haben nicht geruht, bis es wieder im alten Glanze erstand. 160.000 Menschen
wanderten hinauf in Wälder um Stuttgart und umsäumten tief gestaffelt die wohl
idyllischste Rennstrecke Europas.
Harte Kämpfe gab es diesmal in fast allen Klassen nicht nur um den Sieg, sondern
auch um die Plätze. Die Spitzenleute in den Ausweisklassen boten hierbei insofern
eine Überraschung als man nach den Trainingstagen nicht den Eindruck hatte als würde
hier Großes gezeigt.
Aber es kam wieder einmal ganz anders, wie die herausgefahrenen Zeiten unserer
Nachwuchsfahrer deutlich erkennen ließen. Typisch waren allerdings die großen
Abstände er wirklich schnellen Leute vor den aneren Neulingen. Aber die Nachwuchssieger
müssen heute wirklich etwas leisten, wenn sie später als Lizenzfahrer nur einigermaßen
mithalten wollen. Am stärksten stachen natürlich die drei Klassensieger hervor.
Haller=Tuttlingen kam mit der kleinen KDW−SS auf fast 100 km Durchschnitt, während
die NSU−Fahrer Häusler=Biberach (350 ccm) und Schaib=Stuttgart (500 ccm) ebenfalls
Zeiten erzielten, die sich sehen lassen konnten, lagen sie doch erheblich über der
100−km−Grenze.
Bei den Lizenzfahrern gab es eigentlich keine Überraschungen, denn die Siege von
Geiss und Babl auf DKW, sowie von Fleischmann und Schumann auf NSU waren immerhin
zu erwarten. Steinbach hatte diesmal Pech. In der 350−ccm−Klasse führte er auf NSU
vor Fleischmann, gegen den er sich allerdings mehrfach scharf zu wehren hatte. Dann
warf ihn ein Ventilfederbruch aus dem Rennen. In der Halbliterklasse steuerte der
Mannheimer eine DKW. Zusammen mit Mansfeld auf der gleichen Marke zog er dem übrigen
Felde auf und davon und fuhr schließlich mit fast 120 "Schnitt" die Rekordrunde des
Tages. Bei der scharfen Rivalität zwischen ihm und Mansfeld musste man aber doch um
das Ende fürchten. Er legte sich dann auch hin und konnte seine Maschine nicht mehr
in Gang bekommen. Fast zu gleichen Zeit hatte aber auch Mansfeld seinen Motor
zuschanden gefahren und nun war die Zeit wieder einmal für den ruhigen Ley gekommen,
der nach verhältnismäßig schlechtem Start sich allmählich in Sicht der Spitzenreiter
vorgearbeitet hatte, nach deren Ausscheiden er dann einige Runden "hinlegte", die
ihm einen großen Vorsprung vor den übrigen sicherte. Dann aber kam der alte Kopffahrer,
der nichts verschenkt, wieder zum Duchbruch. Und das allein dürfte der Grund gewesen
sein, warum Ley nicht ganz die Zeit des Gesamtsiegers Steinbach im Vorjahre erreichte.
Man sollte aber nun doch den Fall Steinbach endgültig liquidieren, damit er nicht in zwei
Ställen fahren muss und nirgends richtig daheim ist. Auf die Dauer kommt doch nichts
Ersprießliches dabei heraus. Bei den 500ern konnte übrigens der Kampf um den zweiten
Platz zwischen Fleischmann auf NSU und Müller auf DKW hinreißen. Der letztere reift
langsam und sicher zu einem ganz großen Erfolge heran, während Fleischmann diesmal
tatsächlich aus der alten Halbliter−NSU noch mehr herausholte, als eigentlich erwartet
werden konnte.
.... und die Ausländer
Mit den ausländern war es diesmal noch so eine Sache. Von der internationalen Extraklasse
war nur Stanley Woods vertreten, der zum erstenmal auf DKW am Start erschien. Man hatte
ihm ebenso wie Geiss und Winkler die neue 250er mit Vierganggetriebe gegeben, die auf
dem kurvenreichen und bergigen Solitude−Kurs die stärkste Leistungszunahme aller Klassen
gegenüber dem Vorjahr zeigte. Eine Verbesserung des Durchschnittes um rund 10 vH
innerhalb eines Jahres ist außerordentlich. Geiss saß schon nach wenigen Runden trotz
des um zwei Minuten später erfolgenden Startes der Viertelliterklasse unter den 350ern
und hatte zum Schluss noch Fleischmann von den "größeren" vor sich. Woods, der sich
noch nicht recht heimisch auf der neuen Maschine fühlte, fuhr dennoch ein paar schnelle
Runden und kämpfte auch in seinem gewohnten Stil. Dann hatte er aber Motorschwierigkeiten
und fiel etwas zurück. Die übrigen Ausländer kamen nicht über die Plätze hinaus.
Wir dürfen uns nicht sicher fühlen, denn dieser Sieg auf der ganzen Linie, den wir diesmal
erlebten, wird sich kaum wiederholen lassen, sobald uns das Ausland seine allererste
Garnitur vorsetzt. Konstruktiv muss weitergearbeitet werden, und man hat das auch überall
erkannt. Teilweise sind ganz neue Modelle in Vorbereitung, die wir allerdings in diesem
Jahre wohl noch nicht zu sehen bekommen.
Die Organisation, die diesmal das NSKK von der ORG übertragen erhielt, klappte sehr gut,
besonders was die schwierige "Verkehrssteuerung" anbelangt. Eine dreiviertelstündige
Startverzögerung wurde nachher durch sehr flotte Abwicklung wieder eingeholt.
Allerdings blieb der Tag leider nicht von einem sehr schmerzlichen Zwischenfall
verschont, den einer unserer alten Getreuen, Schneider−Meßling, und sein Beifahrer
Handelshäuser zum Opfer fielen. Dafür, dass gleichzeitig auch noch ein Zuschauer ums
Leben kam, kann die Organisation nicht verantwortlich gemacht werden. Man wird sich
aber vielleicht doch überlegen müssen, ob man nochmals Seitenwagenrennen auf dieser
hierfür vielleicht nicht ganz geeigneten, weil etwas zu schmalen, Straße ausschreibt.
H. Hrch. Dienstbach
Ergebnisse:
Ausweisfahrer über 5 Runden = 58 km bis 250 ccm
......
Lizenzfahrer. Solomaschinen über 15 Runden = 174 km − bis 250 ccm:
1. Geiss−Zschopau auf DKW 1.34:26,4 (110,1 kmh)
2. Kluge−Zschopau auf DKW (105,4 kmh)
3. Walfried Winkler−Zschopau auf DKW (104,5 kmh)
4. Stanley Woods−Zschopau auf DKW
5. Häusler−Meßkirch auf DKW
In: Motorwelt, 1936, No.10
nach oben